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peek-spritzguss

Einleitung: Wenn Metall an seine Grenzen stößt

Ein mittelständischer Ventilhersteller steht vor einem vertrauten Problem: Ein kleines Messingbauteil – ein Ventilsitz – zeigt nach wenigen Monaten Korrosionsspuren. Das Bauteil sitzt in einer chemischen Anlage, die mit aggressiven Medien arbeitet. Ersatzteile sind teuer, die Stillstandzeiten schmerzen. Der Fertigungsleiter blättert durch die letzten Qualitätsberichte, runzelt die Stirn und fragt: „Geht das nicht besser?“

Ein halbes Jahr später läuft die Serie mit PEEK-Komponenten. Keine Korrosion, kein Nacharbeiten, keine Maßabweichungen nach dem Einbau. Nur ein Detail hat sich verändert – der Werkstoff.

Warum PEEK in der Industrie gerade so gefragt ist

PEEK – Polyetheretherketon – gehört zu den Hochleistungskunststoffen. Entwickelt für Einsatzbedingungen, bei denen herkömmliche Kunststoffe versagen: hohe Temperaturen, aggressive Chemikalien, mechanische Dauerbelastung. In den letzten Jahren hat sich PEEK vom Spezialwerkstoff der Luftfahrt zu einem festen Bestandteil industrieller Serienfertigung entwickelt – vor allem im Spritzguss. Zahlreiche Anbieter dokumentieren Dauergebrauchstemperaturen bis etwa 250–260 °C und hohe Chemikalienbeständigkeit, etwa Ensinger.

Der Grund: PEEK kann Metallteile ersetzen, ohne an Stabilität oder Maßhaltigkeit zu verlieren. Besonders in Branchen mit hohen Anforderungen an Gewicht, Präzision und Korrosionsbeständigkeit – Maschinenbau, Fluidtechnik, Medizintechnik – wird der Werkstoff zur wirtschaftlichen Alternative.

Mehr als ein Ersatz: Ein Werkstoff mit Systemvorteilen

Während PA 6 GF 50 oder PPS in vielen technischen Anwendungen gute Dienste leisten, bietet PEEK eine deutliche Reserve. Dauergebrauchstemperaturen bis 250–260 °C und außergewöhnliche Medienbeständigkeit sind dokumentiert (z. B. Victrex, 2024). Gleichzeitig ermöglicht Spritzguss komplexe Geometrien, die in der mechanischen Fertigung nur mit hohem Aufwand realisierbar wären. PEEK ist kein bloßer Ersatzstoff, sondern ein Brückenschlag zwischen Metallbearbeitung und Hochtemperatur-Kunststofftechnik.

Worum es in diesem Beitrag geht

Im weiteren Verlauf zeigen wir

  • welche Eigenschaften PEEK von Standardkunststoffen abheben,
  • was beim Spritzgussprozess zu beachten ist,
  • wie Sie als KMU den Umstieg technisch und wirtschaftlich angehen.

Ziel ist ein realistischer Blick auf Chancen, Grenzen und Designstrategien für Unternehmen, die Bauteile aus Metall durch Hochleistungskunststoffe ersetzen möchten – ohne Kompromisse bei Präzision und Zuverlässigkeit.

Kapitel 1 – Was PEEK wirklich leistet: Werkstoffeigenschaften mit industrieller Relevanz

Ein Entwickler aus einem Maschinenbauunternehmen erinnert sich an die ersten Versuche mit PEEK: „Wir dachten, das ist einfach ein teurer Kunststoff. Aber als wir gesehen haben, wie stabil das Material nach Monaten unter Dampf und Öl geblieben ist, war klar: Das ist eine andere Liga.“

Diese Beobachtung trifft den Kern. PEEK ist kein Ersatzstoff aus der Not heraus, sondern ein Hochleistungspolymer mit Eigenschaften, die in vielen Anwendungen bisher Metallen vorbehalten waren.

Hochtemperaturfest, chemikalienresistent, formstabil – wo PEEK seine Stärke zeigt

PEEK gehört zur Gruppe der Polyaryletherketone (PAEK). Sein kristalliner Aufbau verleiht eine außergewöhnliche Kombination aus Steifigkeit, Temperaturbeständigkeit und Chemikalienresistenz. Hersteller geben Dauergebrauch bis ca. 250–260 °C und Schmelzpunkte um 341–343 °C an.

Eigenschaft PEEK (unverstärkt) PEEK GF 30 PA 6 GF 50 Messing
Zugfestigkeit ~100 MPa ~150 MPa ~170 MPa ~350 MPa
E-Modul ~3,6 GPa ~6–7 GPa ~12 GPa ~100 GPa
Dauergebrauchstemp. bis 250–260 °C bis 250–260 °C bis 120 °C >300 °C
Dichte 1,3 g/cm³ 1,5 g/cm³ 1,6 g/cm³ 8,5 g/cm³
Chemikalienbeständigkeit sehr hoch sehr hoch mittel korrosionsgefährdet

Der Dichteunterschied zeigt den strukturellen Vorteil: PEEK ist rund sechsmal leichter als Messing – bei ausreichender Festigkeit für viele mechanisch beanspruchte Anwendungen. Das wirkt sich direkt auf Energiebedarf, Handling und Konstruktion aus. Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer ICT verarbeiten Hochleistungskunststoffe im Serienspektrum und unterstreichen die Relevanz für anspruchsvolle Branchen.

Chemikalien und Feuchtigkeit – PEEK bleibt stabil

PEEK zeigt sehr geringe Wasseraufnahme und hohe Resistenz gegenüber vielen Medien. Hersteller dokumentieren Beständigkeit auch gegen aggressive Reinigungsprozesse und hohe Betriebstemperaturen, etwa in der Lebensmittel- und Prozessindustrie.

Wann sich der Einsatz wirtschaftlich lohnt

Die Materialkosten liegen über Standardkunststoffen, dennoch rechnet sich der Einsatz oft durch längere Lebensdauer, automatisierbare Spritzgussfertigung und Funktionsintegration. Ein Messingventil mit drei Komponenten (Frästeil, Dichtung, Halterung) kann durch ein einteiliges PEEK-Spritzgussteil ersetzt werden – Gewicht und Montagezeit sinken, Korrosion entfällt. Diese Einschätzung beruht auf branchenüblichen Praxisvergleichen und Best Practices.

Minimalmaßnahme vs. Best Practice

Strategie Beschreibung Typische Probleme Langfristiger Effekt
Minimalmaßnahme: 1:1-Tausch Geometrie bleibt unverändert Überdimensionierung, unnötige Kosten Begrenzter Nutzen
Best Practice: Neukonstruktion für PEEK Design auf Fließverhalten und Temperatur abgestimmt Höherer Entwicklungsaufwand Optimale Kosten, längere Lebensdauer

Handlungsempfehlungen für KMUs

  • Bauteile mit hoher thermischer/chemischer Last priorisieren.
  • Materialmehrpreis gegen Lebensdauer- und Prozessgewinne rechnen.
  • Frühzeitig Spritzgießer mit Hochtemperatur-Erfahrung einbinden.
  • Werkzeuganforderungen und Temperierung in der Konzeptphase berücksichtigen.

 

Kapitel 2 – PEEK im Spritzgussprozess: Was anders ist als bei Standardkunststoffen

Ein erfahrener Spritzgießer formulierte es einmal so: „PEEK ist wie Stahl gießen – nur mit mehr Gefühl.“ Wer PEEK wie PA oder ABS verarbeitet, erlebt teure Überraschungen. Maschinen, Werkzeuge und Prozessführung müssen auf hohe Temperaturen und enge Prozessfenster ausgelegt sein.

Warum PEEK kein Kunststoff wie jeder andere ist

PEEK schmilzt erst im Bereich um 341–343 °C; für reproduzierbare Qualität sind Zylinder- und Werkzeugtemperaturen auf Hochtemperaturniveau erforderlich. Herstellerhinweise nennen Schmelze-Setups bis ~380–400 °C sowie Werkzeugtemperaturen im Bereich ~160–200 °C – je nach Typ und Füllstoff (Campusplastics: VESTAKEEP Daten). Evonik empfiehlt für PEEK-Compounds plastifizierende Einheiten, die bis ~450 °C ausgelegt sind (Evonik VESTAKEEP – Processes).

Prozessfenster und Maschinenausstattung

  • Hochtemperaturfähige Schnecken und Zylinder mit korrosionsbeständigen Beschichtungen.
  • Werkzeugstahl mit hoher Warmfestigkeit und präziser Trennfuge.
  • Trocknung mit Taupunktüberwachung, da PEEK empfindlich auf Restfeuchte reagiert.
  • Temperiergeräte bis mindestens 200 °C, ideal mit Ölkreislauf.

Viele Maschinenhersteller unterstützen Hochtemperaturpolymere mit spezifischen Paketen und Applikationssupport, u. a. Arburg und Engel. Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer ICT verarbeiten Hochleistungskunststoffe unter Serienbedingungen und validieren Prozesse.

Fehlerquellen und wie man sie vermeidet

  • Einbrennen/Ablagerungen: Verweilzeiten minimieren, Hochtemperatur-Reinigungscompounds einsetzen (branchenübliche Best Practice).
  • Schwindung/Verzug: Gleichmäßige Temperierung, abgestimmte Nachdruckphase; Werkzeug auf 160–200 °C auslegen (Campusplastics).
  • Gratbildung bei hohen Werkzeugtemperaturen: Trennfugenqualität und Schließkraft sichern (Best Practice).
  • Trocknung: Vorverarbeitung typischerweise mehrere Stunden bei hoher Temperatur; Restfeuchte führt zu Oberflächenfehlern (Best Practice).

Praxisbeispiel: Präzision statt Nacharbeit

Ein Zulieferer aus der Fluidtechnik stellte früher kleine Messingringe mit 20 µm Toleranz her – Drehteile, Entgratung inklusive. Nach der Umstellung auf PEEK-Spritzguss entfiel die Nacharbeit, die Ausschussquote sank deutlich. Der Schlüssel war Prozessdisziplin: konstante Werkzeugtemperatur, optimierte Nachdruckzeit, konsequente Materialtrocknung.

Minimalmaßnahme vs. Best Practice

Ansatz Beschreibung Risiko Ergebnis
Minimalmaßnahme: Standardmaschine Verarbeitung ohne Hochtemperaturpaket Instabile Zykluszeiten, Materialschäden Unsichere Serienqualität
Best Practice: Hochtemperatur-Setup Maschine, Werkzeug und Trocknung optimal abgestimmt Höherer Invest Reproduzierbare Qualität, stabile Prozesse

Handlungsempfehlungen für KMUs

  • Spritzgießer mit PEEK-/Hochtemperaturerfahrung auswählen.
  • Werkzeugtemperierung früh simulieren (Füllung/Abkühlung).
  • Reinigungs- und Wartungsintervalle fest im Produktionsplan verankern.
  • Vor Serienstart Variantenversuche für Nachdruck und Zyklus fahren.

 

Kapitel 3 – Chemikalienbeständigkeit in der Praxis: Wo Metall aufgibt

Ein Hersteller von Dosiersystemen für Chemikalien: Ventilsitze aus Messing hielten Reinigungsflüssigkeiten kaum stand. Nach Wochen matt, nach Monaten rissig. Ein typischer Fall, in dem Metall an Grenzen stößt – und PEEK seine Stärken ausspielt.

Säuren, Laugen, Öle: Wie PEEK aggressiven Medien trotzt

PEEK gilt als einer der chemikalienbeständigsten Thermoplaste. Herstellerdokumente nennen Resistenz gegenüber zahlreichen aggressiven Medien und Reinigungsprozessen, kombiniert mit Hochtemperatureinsatz bis etwa 260 °C. Ensinger beschreibt PEEK als teilkristallinen Hochleistungskunststoff mit sehr hoher chemischer Beständigkeit und Einsatztemperaturen bis 250–260 °C.

Medium PEEK PA 6 GF 50 PPS PVDF Messing
Heißwasser (140 °C) stabil quillt stark gut gut Korrosion
Salzlösung stabil mäßig stabil sehr gut Korrosion
Schwefelsäure 10 % stabil unbeständig stabil mäßig starke Korrosion
Hydrauliköl stabil stabil stabil stabil gut

Die Überlegenheit ist anwendungsabhängig; verbindliche Medienbeständigkeit muss stets anhand konkreter Datenblätter und Versuche geprüft werden.

Praxisbeispiel: Ventilsitz aus PEEK statt Messing

Ein KMU in der Prozesswassertechnik wechselte von Messing auf PEEK. Nach einem Jahr Dauerbetrieb: kein einziger Teiletausch, Gewicht je Ventil um rund 70 % reduziert, Montagezeit deutlich gesunken. Diese Werte sind ein Praxisbeispiel; sie variieren je nach Geometrie und Prozess.

Designaspekte bei Medienkontakt

  • Temperatur und Konzentration berücksichtigen; oberhalb ca. 250 °C nimmt die Reservenutzung ab (Victrex).
  • Kontaktzeit und Drucksituation definieren.
  • Spannungsrisse konstruktiv vermeiden, ggf. Dichtungskonzepte mit PTFE kombinieren (Best Practice).

Minimalmaßnahme vs. Best Practice

Strategie Beschreibung Risiko Ergebnis
Minimalmaßnahme: 1:1-Tausch Materialwechsel ohne Designanpassung Ungleichmäßige Belastung, überhöhte Kosten Stabil, aber nicht optimal
Best Practice: Geometrie für Medienkontakt Gleichmäßige Wandstärken, Diffusionspfade berücksichtigen Mehr Konstruktionsaufwand Leichter, langlebiger, effizienter

Handlungsempfehlungen für KMUs

  • Bauteile identifizieren, die regelmäßig chemisch gereinigt werden.
  • Korrosions-/Wartungsfälle dokumentieren, um Wirtschaftlichkeit zu belegen.
  • PEEK-Typ und Füllstoffe passend zum Medium wählen.
  • Kompatibilität über Datenblätter und Versuche absichern.

 

 

Kapitel 4 – Design mit PEEK: Freiheiten und Grenzen beim Metallersatz

Als ein Pumpenhersteller erstmals ein Messinggehäuse durch PEEK ersetzte, war das Bauteil mechanisch stabil – der Werkzeugbauer aber skeptisch: massive Wandstärken, fehlende Rippen, unklare Entlüftung. Erst das Redesign – dünner, funktionaler, materialspezifischer – brachte den Durchbruch. PEEK verlangt ein Umdenken im Design.

Konstruktion neu denken: Was mit PEEK plötzlich möglich wird

Metallbauteile sind durch Fräsen, Bohren, Drehen geprägt. Spritzgussteile folgen Materialfluss, Entformungsrichtung und Temperaturgradienten. Wer PEEK intelligent einsetzt, nutzt diese Freiheitsgrade: Funktionsintegration statt Teilevielfalt, dünnwandige Strukturen bei hoher Steifigkeit, Clips und Führungselemente direkt „aus dem Werkzeug“.

Ein Sensorträger aus Aluminium (drei gefräste Teile) wurde durch ein einteiliges PEEK-Teil ersetzt – Gewicht um rund 60 % reduziert, Montagezeit stark gesenkt. Solche Effekte entstehen nur, wenn das Design den Werkstoff nutzt.

Gestaltungsrichtlinien für PEEK-Bauteile

Bereich Empfehlung Hintergrund
Wandstärken 0,8–3 mm, möglichst konstant Einfallstellen und Spannungen vermeiden
Rippen/Versteifungen bis 50 % der Wandstärke Steifigkeit ohne Gewichtszuwachs
Radien mind. 0,5 × Wandstärke Spannungsausgleich, bessere Fließfront
Entformungsschrägen mind. 0,5°–1° Werkzeugtrennung erleichtern
Toleranzen enger als bei Standardkunststoffen Thermische Ausdehnung berücksichtigen

Simulation ist Standard: Füll- und Abkühlanalysen vermeiden Lufteinschlüsse, Bindenähte oder Schwindungsprobleme. Für Hochtemperaturkunststoffe empfiehlt sich konturnahe Temperierung; Forschung und Praxis zeigen Vorteile additiv gefertigter Einsätze.

Von der Drehbank zur Spritzgussform

  1. Funktionsanalyse: Welche Aufgaben erfüllt das Metallteil (Steifigkeit, Wärmeleitung, Dichtung, Leitfähigkeit)?
  2. Materialauswahl: Reines PEEK oder Compounds (z. B. GF/CF, PTFE)?
  3. Werkzeugdefinition: Entformung, Anguss, Temperierung – entlang Fließrichtung und Lastzonen.

Bei präzisen Teilen lohnt es, die Toleranzkette gemeinsam mit dem Werkzeugbauer aufzubauen, statt sie vom Metallmodell abzuleiten. Forschung und Anwendungen im unterstreichen die Relevanz einer prozessgerechten Werkzeugauslegung.

Designfehler aus der Praxis

  • Zu massive Geometrien → ungleichmäßige Abkühlung, Lunker, Verzug.
  • Fehlende Entlüftungen → Brandstellen durch eingeschlossene Luft.
  • Harte Wandstärkenübergänge → Schwindungsunterschiede.
  • „Metalldenken“ → Leichtbaupotenzial verschenkt.

Minimalmaßnahme vs. Best Practice

Strategie Beschreibung Risiko Nutzen
Minimalmaßnahme: Metallform kopiert Schnell, aber nicht materialspezifisch Fließ- und Qualitätsrisiken Begrenzt
Best Practice: Kunststoffgerechte Neukonstruktion Simulation, Funktionsintegration Mehr Entwicklungsaufwand Stabilere Prozesse, kürzere Zyklen, niedrigere Stückkosten

Handlungsempfehlungen für KMUs

  • Umstellung auf PEEK für ein grundlegendes Redesign nutzen.
  • Werkzeugbauer frühzeitig einbinden; Temperierung aktiv mitplanen.
  • Füll-/Abkühlverhalten simulieren, Zeichnungen auf Radien/Rippen/Entformung prüfen.
  • Entwicklungskosten gegen Prozess- und Montageeinsparungen abwägen.

 

Kapitel 5 – Wirtschaftliche und ökologische Bewertung

Ein Zulieferer für Laborpumpen wagte den Schritt von Messing auf PEEK. Das Rohmaterial war teurer, das Werkzeug aufwendiger – doch nach einem Jahr sanken Ausschuss und Montagezeit spürbar. Der Werkstoff rechnete sich: nicht sofort, aber nachhaltig.

Weniger Material, weniger Energie, mehr Effizienz

Fräsen und Bohren sind präzise, aber material- und energieintensiv. Spritzguss mit PEEK setzt auf einmalige Werkzeuginvestition, reproduzierbare Zyklen und geringe Nacharbeit. Forschung und Industrie treiben klimarelevante Effizienzpfade voran; Einrichtungen wie Fraunhofer UMSICHT (Tätigkeitsbericht 2024) adressieren systematisch CO₂- und Ressourcenpotenziale in Materialien und Prozessen, während anwendungsnahe Verarbeitung von Hochleistungskunststoffen u. a. am erfolgt.

Konkrete CO₂-Einsparungen sind projektspezifisch. Erfahrungsgemäß entstehen Vorteile durch geringere Masse, Materialnutzung „nahe Nettoform“, reduzierte Nacharbeit und längere Standzeiten. Die in diesem Kapitel erwähnten Effekte sind Praxisabschätzungen und sollten für jedes Bauteil separat bilanziert werden.

Recycling und Wiederverwertung von PEEK – aktueller Stand

PEEK ist thermoplastisch und grundsätzlich wiederaufbereitbar. In praxistypischen Hochleistungsanwendungen fallen geringe Mengen an; deshalb überwiegt heute die Lebensdauerverlängerung als Nachhaltigkeitshebel. Hersteller kommunizieren Rezyklat- und Rework-Ansätze sowie hohe Beständigkeit auch im wiederholten Einsatz.

Wann sich der Umstieg rechnet

Anwendung Alte Lösung Neue Lösung (PEEK) Ergebnis
Ventilsitz Messing, spanend gefertigt PEEK, Spritzguss ROI nach 12–18 Monaten
Lagerkäfig PA 6 GF 50 PEEK Längere Lebensdauer, ROI < 1 Jahr
Steckverbinder PPS PEEK CF 30 50 % weniger Reklamationen

Handlungsempfehlungen für KMUs

  • Lebenszyklusrechnung inkl. Stillstandskosten aufsetzen.
  • CO₂-/Ressourcenpotenziale bilanzieren oder bilanzieren lassen.
  • Fördermöglichkeiten für effiziente Produktion prüfen.
  • Vorteile gegenüber Kunden kommunizieren.

 

Kapitel 6 – Handlungsempfehlungen für KMUs

Erfolgreiche PEEK-Einführungen beginnen oft klein – mit einem Bauteil, das regelmäßig Ärger macht. Wer strukturiert vorgeht, reduziert Risiken und macht schnelle Fortschritte.

Vom Versuchsteil zur strategischen Materialentscheidung

  1. Identifikation kritischer Bauteile: Korrosion, Temperatur, Chemie.
  2. Machbarkeitsprüfung: Temperaturfenster, Belastung, Medienkontakt.
  3. Pilotfertigung: Kleinserie, Feldtest, Messgrößen definieren.
  4. Design-/Prozessoptimierung: Erkenntnisse in CAD und Prozess überführen.
  5. Skalierung: Erfolgreiche Teile in Serie bringen, Portfolio erweitern.

Wichtige Erfolgsfaktoren

  • Erfahrene Verarbeiter und Werkzeugbauer wählen (Hochtemperaturkompetenz).
  • Interdisziplinäre Abstimmung zwischen Konstruktion, Einkauf, Produktion.
  • Transparente Kommunikation mit Kunden: PEEK als Performance-Lösung positionieren.
  • Wartungs-/Qualitätsdaten dokumentieren, um ROI sichtbar zu machen.

30-Tage-Plan für den Einstieg

Woche 1 – Analyse

  • Bauteilliste mit Korrosions-/Temperatur-/Chemieproblemen erstellen.
  • Materialkosten, Standzeiten, Nacharbeit erfassen.

Woche 2 – Bewertung

  • 1–2 Kandidaten priorisieren
  • Datenblätter/Beständigkeitstabellen anfordern

Woche 3 – Partnerwahl

  • Spritzgießer/Werkzeugbauer mit PEEK-Kompetenz auswählen
  • Werkzeuganforderungen und Stückzahlen klären

Woche 4 – Pilotphase starten

  • Messgrößen definieren (Maßhaltigkeit, Belastung, Medienbeständigkeit)
  • Ergebnisse dokumentieren und Review ansetzen

Quick Wins – in 30 Tagen messbare Fortschritte

Bereich Maßnahme Sofortnutzen
Konstruktion CAD-Analyse für PEEK-Optimierung Material- und Gewichtsreduktion
Einkauf Materialdaten und Preisspannen vergleichen Transparente Kostenbasis
Produktion Maschinen-, Trocknungs- und Temperierfähigkeit prüfen Risikoreduzierung
Management ROI-Berechnung mit Lebenszyklusfokus Fundierte Entscheidung

 

FAQ

Wann lohnt sich der Einsatz von PEEK gegenüber PA 6 GF 50 oder PPS?

Wenn Temperatur, Chemie oder mechanische Dauerlast deutlich über dem liegen, was Standardkunststoffe leisten. PEEK ist teurer, aber bei hoher Beanspruchung häufig wirtschaftlicher. Basis für die Entscheidung: Datenblätter, Versuche und Lebenszykluskalkulation.

Wie teuer ist ein PEEK-Spritzgussteil im Vergleich zu einem Messingteil?

Der Kilopreis ist höher, der Gesamtteilpreis kann jedoch sinken – wenn Nacharbeit, Montage und Korrosionsschutz entfallen und die Lebensdauer steigt. Das ist anwendungsabhängig und sollte projektspezifisch kalkuliert werden.

Kann PEEK in bestehenden Werkzeugen verarbeitet werden?

Oft nein. PEEK erfordert Werkzeugtemperaturen um 160–200 °C und hochtemperaturfähige Peripherie; eine Umrüstung ist je nach Werkzeug möglich, aber nicht immer wirtschaftlich (Evonik VESTAKEEP – Processes).

Wie verhält sich PEEK bei Dauertemperaturen über 200 °C?

Hersteller nennen Dauergebrauch bis etwa 250–260 °C, kurzzeitig auch darüber. Details hängen vom Compound und der Belastung ab.

Welche Alternativen gibt es, wenn PEEK zu teuer ist?

PPS, PEI oder PPA sind Alternativen mit geringerer Temperatur-/Chemikalienbeständigkeit, dafür oft günstiger in Material und Verarbeitung. Eine Vorselektion erfolgt über Temperaturfenster, Medien und mechanische Last.

 

Takeaways

PEEK ist mehr als ein Ersatz für Metall – es ist ein Brückenschlag zwischen klassischer Mechanik und moderner Polymertechnik. Für KMUs bietet der Werkstoff die Chance, Kosten, Gewicht und Energieverbrauch zu senken, ohne bei Präzision und Stabilität Abstriche zu machen.

Kurzfristig (0–3 Monate)

  1. Geeignete Bauteile identifizieren.
  2. Machbarkeitsanalyse starten.
  3. Partner und Materiallieferanten auswählen.

Mittelfristig (3–12 Monate)

  1. Pilotserie umsetzen.
  2. Prozess- und Designoptimierung.
  3. ROI und Lebenszykluskosten bewerten.

Langfristig (12+ Monate)

  1. Serienumsetzung auf breitere Produktpalette.
  2. Nachhaltigkeitskommunikation etablieren.
  3. Know-how im Unternehmen verankern.